Grob- und Feinplanung in der Produktionsplanung – Wie sinnvoll ist eine klare Trennung?

Grob- und Feinplanung in der Produktionsplanung – Wie sinnvoll ist eine klare Trennung?

Die Abgrenzung zwischen Grob- und Feinplanung

In der Produktionsplanung sind die Begriffe „Grobplanung“ und „Feinplanung“ weit verbreitet. Doch ist diese klassische Trennung in Zeiten agiler und digitalisierter Produktionsprozesse überhaupt noch sinnvoll? Während einige Unternehmen an diesem bewährten Konzept festhalten, argumentieren andere für eine flexiblere und dynamischere Vorgehensweise. In diesem Artikel beleuchten wir die traditionellen Definitionen, die theoretischen Grundlagen aus der wissenschaftlichen Literatur zur Produktionsplanung und stellen die Frage: Sollten wir die klassische Trennung überdenken?.

Theoretische Grundlagen zur Grob- und Feinplanung

Laut der wissenschaftlichen Literatur zur Produktionsplanung wird die Produktionsplanung und -steuerung (PPS) als ein hierarchisch strukturiertes System betrachtet. Dieses System unterteilt sich in verschiedene Planungsebenen, die sich durch ihren Zeithorizont und ihre Detailtiefe unterscheiden. Eine zentrale Unterscheidung erfolgt dabei zwischen taktischer Planung (Grobplanung) und operativer Planung (Feinplanung), die jeweils spezifische Aufgaben und Zielsetzungen verfolgen (Schuh & Stich, 2012).

Taktische Planung (Grobplanung): Diese bewegt sich auf einem mittelfristigen Zeithorizont von Wochen bis Monaten und umfasst folgende Aufgaben (Fleischmann, 2008):

  • Erstellung von Produktionsprogrammen
  • Materialbedarfsplanung
  • Abstimmung der Kapazitäten zur Sicherstellung eines reibungslosen Produktionsablaufs

Operative Planung (Feinplanung): Die operative Planung betrifft die kurzfristige Steuerung und Feinjustierung innerhalb der Produktion auf Tages- oder Schichtbasis. Zu ihren Aufgaben zählen (Fleischmann, 2008):

  • Maschinenbelegung
  • Reihenfolgenplanung
  • Optimierungsmaßnahmen für Engpässe und Rüstzeiten zur effizienten Fertigung

Diese Einteilung zeigt, dass die taktische Planung als Bindeglied zwischen strategischen Unternehmensentscheidungen und kurzfristigen operativen Maßnahmen dient. Die klassische Trennung zwischen Grob- und Feinplanung kann jedoch dazu führen, dass ineffiziente Prozesse nicht optimal abgestimmt werden. Ein zentraler Kritikpunkt ist beispielsweise, dass die Grobplanung oft ungenaue Zeitannahmen trifft. Beispielsweise kann durch geschickte Schichtplanung ein Rüstvorgang vorab erledigt werden, wodurch sich die eigentliche Prozesszeit verkürzt – eine Möglichkeit, die in der Grobplanung häufig nicht berücksichtigt wird.

Herausforderungen der Trennung in der Praxis

Die industrielle Praxis zeigt häufig, dass sich Grob- und Feinplanung nicht immer strikt voneinander abgrenzen lassen. Besonders in dynamischen Produktionsumfeldern treten häufig folgende Herausforderungen auf:

  • Dynamische Märkte: Veränderungen in der Nachfrage oder kurzfristige Störungen können eine Anpassung der Grobplanung erforderlich machen.
  • Flexible Produktionssysteme: Mit modernen Industrie-4.0-Technologien wird es zunehmend schwieriger, eine starre Trennung zwischen Grob- und Feinplanung aufrechtzuerhalten.
  • Rüstzeiten-Optimierung: Ein zentraler Kritikpunkt an der klassischen Trennung ist, dass die Grobplanung oft ungenaue Zeitannahmen trifft. Beispielsweise kann durch geschickte Schichtplanung ein Rüstvorgang vorab erledigt werden, wodurch sich die eigentliche Prozesszeit verkürzt – eine Möglichkeit, die in der Grobplanung häufig nicht berücksichtigt wird.

Ein neuer Ansatz: Kombination von taktischer und operativer Planung

Unser Ansatz schlägt vor, die taktische und operative Planung flexibler zu gestalten, indem beide Ebenen stärker miteinander verzahnt werden. In der klassischen Produktionsplanung werden diese beiden Stufen oft separat betrachtet, doch eine enge Verbindung kann zu erheblichen Effizienzgewinnen führen.

Ein zentrales Beispiel hierfür ist die Berücksichtigung von Rüstzeiten:

  • In der klassischen taktischen Planung wird für einen Fertigungsprozess eine Standardzeit von 30 Minuten eingeplant (inklusive Rüsten, Durchführung etc.).
  • Falls jedoch bereits in der vorherigen Schicht ein entsprechender Rüstvorgang durchgeführt wurde, reduziert sich die tatsächliche Bearbeitungszeit auf 10 Minuten.
  • Diese Differenz von 20 Minuten wird in der ursprünglichen Grobplanung nicht reflektiert und führt zu ungenutzten Kapazitäten.

Dieses Beispiel verdeutlicht, dass taktische Planungen oft mit Standardwerten arbeiten, während operative Gegebenheiten flexibler sind. Eine stärkere Verbindung zwischen beiden Planungsebenen könnte durch dynamische Rückkopplungsmechanismen realisiert werden:

  1. Echtzeit-Datenintegration: Sensorgestützte Systeme könnten laufend den Produktionsstatus erfassen und taktische Pläne dynamisch anpassen.
  2. KI-gestützte Optimierung: Durch Algorithmen, die kontinuierlich aus operativen Veränderungen lernen, könnten präzisere Produktionspläne erstellt werden.
  3. Adaptive Planungshorizonte: Eine starre Wochen- oder Monatsplanung könnte durch rollierende, ständig aktualisierte Planung ersetzt werden, die auf kurzfristige Änderungen direkt reagiert.

Durch eine solche Optimierung könnten Produktionsabläufe langfristig geplant werden, während gleichzeitig eine flexible Feinsteuerung im kurzfristigen Bereich erhalten bleibt. So wäre es möglich, Produktionsprozesse über mehrere Monate präzise zu planen, ohne an Agilität bei kurzfristigen Änderungen zu verlieren. Eine enge Verzahnung von taktischer und operativer Planung sorgt für eine effizientere Ressourcennutzung und reduziert unnötige Wartezeiten oder Kapazitätsengpässe.

 

Sollte Grob- und Feinplanung heute noch getrennt betrachtet werden?

Die klassische Trennung von Grob- und Feinplanung hat sich in vielen Unternehmen bewährt, doch sie stößt in modernen, flexiblen Produktionsumgebungen zunehmend an ihre Grenzen. Die Frage ist: Sollte die Trennung beibehalten oder durch eine engere Verzahnung von taktischer und operativer Planung ersetzt werden? Beide Ansätze haben ihre Berechtigung.

Argumente für eine Verzahnung der taktischen und operativen Planung:

  • Bessere Nutzung von Kapazitäten: Echtzeitdaten ermöglichen eine präzisere Planung und verhindern unnötige Leerzeiten.
  • Optimierte Rüstprozesse: Durch eine enge Abstimmung zwischen mittelfristiger und kurzfristiger Planung lassen sich Rüstzeiten effektiver einplanen und verkürzen.
  • Höhere Flexibilität: Unternehmen können schneller auf kurzfristige Änderungen reagieren, beispielsweise bei Maschinenausfällen oder unerwarteten Aufträgen.
  • Reduzierung von Planabweichungen: Durch den kontinuierlichen Abgleich von Planvorgaben und tatsächlichen Produktionsabläufen können realitätsnähere Entscheidungen getroffen werden.

Argumente für das traditionelle Modell der getrennten Grob- und Feinplanung:

  • Klare Verantwortlichkeiten: Durch die Trennung der Planungsebenen lassen sich Aufgaben und Zuständigkeiten eindeutig definieren.
  • Strukturierte Planung: Langfristige und mittelfristige Produktionsstrategien können unabhängig von kurzfristigen Störungen entwickelt werden.
  • Geringerer Planungsaufwand: Eine detaillierte Feinplanung über einen langen Zeitraum hinweg kann zu einem erhöhten Aufwand führen, ohne dass alle Annahmen verlässlich sind.
  • Bewährte Systeme: Viele Unternehmen haben bereits etablierte Prozesse und PPS-Systeme, die auf einer strikten Trennung basieren und effizient funktionieren.

Die Entscheidung zwischen einer klassischen Trennung und einer stärker integrierten Planung hängt somit von den individuellen Anforderungen des Unternehmens ab. Während dynamische und agile Produktionsumgebungen von einer engeren Verzahnung profitieren können, bietet das traditionelle Modell weiterhin Vorteile für stabilere und langfristig planbare Fertigungsprozesse.

 

Fazit: Grob- und Feinplanung – Trennen oder Verzahnen?

Die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung in der Produktion fordert neue Planungsansätze. Während die klassische hierarchische Trennung ihre Vorteile hat, zeigt sich, dass ein flexiblerer Ansatz mit einer engeren Verzahnung von Grob- und Feinplanung viele Optimierungspotenziale bietet.

Was denken Sie? Sollte die Grob- und Feinplanung weiterhin strikt getrennt werden oder brauchen wir einen flexibleren Ansatz? Teilen Sie Ihre Meinung in den Kommentaren!

Quellen: Schuh, G., & Stich, V. (Hrsg.). (2012). Produktionsplanung und -steuerung 1: Evolution der PPS. Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-25423-9

Fleischmann, B. (2008). Begriffliche Grundlagen. In: Arnold, D., Isermann, H., Kuhn, A., Tempelmeier, H. und Furmans, K. (Hg.): Handbuch Logistik. (3. Aufl.). Springer

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